Die Historie des Schlosses Stutensee
Als die großherzogliche Familie 1918 das Schloss verlassen hatte, gründete Dr. Heinrich Wetzlar hier 1919 ein Erziehungsheim für etwa 40 männliche Jugendliche, das er zusammen mit seiner Frau Therese leitete und in unermüdlichem Einsatz zu einer angesehenen Erziehungseinrichtung ausbaute. Dr. Heinrich Wetzlar, zuletzt Landgerichtspräsident in Mannheim, wurde 1933 seines Amtes enthoben und 1943 zusammen mit seiner Frau Therese nach Theresienstadt deportiert, wo beide ihr Leben lassen mussten.
Mit der Gründung des Landeswohlfahrtsverbandes Baden im Jahr 1963 ging das bis dahin staatliche Erziehungsheim in seine Trägerschaft über. Seit 1984 wird in dem zu Ehren des Gründers benannten „Heinrich-Wetzlar-Haus“ ein erzieherisches Programm für straffällig gewordene männliche Jugendliche als Alternative zur Untersuchungshaft angeboten. Das gesamte Landesjugendheim verfügte im Jahre 1994, nach einer dreijährigen Renovierung des Schlossgebäudes wegen Brandstiftung, über 50 vollstationäre und 30 teilstationäre Plätze. Die heimeigene Schule für Erziehungshilfe besuchten zu dieser Zeit über 70 Kinder und Jugendliche. Nach Auflösung des Landeswohlfahrtsverbandes befindet sich die Liegenschaft Schloss Stutensee seit 2005 im Eigentum des Landkreises Karlsruhe.
Im Jahre 2020 betreut die Jugendeinrichtung über 450 Jugendhilfefälle und das angegliederte Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung unterrichtet und unterstützt über 260 Schülerinnen und Schüler. Die einzelnen Jugendhilfemaßnahmen und -formen sind dabei sehr unterschiedlich: Während die Tagesgruppen, die Soziale Gruppenarbeit, das Heilpädagogische Förderangebot sowie die ambulanten Familienhilfen Angebote für die Region und die nähere Umgebung darstellen, also für Stadt und nördlicher Landkreis Karlsruhe, kommen die Kinder und Jugendliche, die in den Wohngruppen und in den Sondereinrichtungen betreut werden, oft von viel weiter her.
um 1440
Markgraf Jakob I. von Baden errichtet am Pfinzübergang Staffort als Zollstation ein Wasserschloß
um 1560
Markgraf Karl II. (mit de Dasch) legt nach Gottesauer Vorbild für Fischzucht den Zwingelsee an. Das Projekt wird einige Jahre später wegen heftiger Proteste aufgegeben.
1652
Markgraf Friedrich V. gründet zur Aufbesserung von Landwirtschaft und Landesverteidigung das Gestüt Stutensee.
1676 und 1689
Französische Truppen zerstören das Wasserschloß Staffort.
1677
Markgräfin Augusta vergrößert das Gestüt durch Landankauf und Ausbau der Stallungen.
1721
Markgraf Karl Wilhelm setzt zwischen die Stallungen einen quadratischen Fachwerkbau aus Holz mit achteckiger Kuppel als Lusthäuschen. Damit war Stutensee Jagdsitz.
1749
Markgraf Karl Friedrich erbaut nach Plänen des italienischen Architekten Retti das Jagdschloss in heutiger Form mit Steinen der Schlossruine Staffort im barocken Stil der französischen Klassik Blondels und fügt weitere Nebenbauten hinzu.
um 1770
Schloss Stutensee wird Mustergut zur Förderung der Landwirtschaft.
1783
Nach dem Tod seiner Gemahlin Caroline Luise zieht sich Markgraf Karl Friedrich nach Stutensee zurück und entwirft die Bestimmungen zur „Aufhebung der Leibeigenschaft“ in seinen Stammlanden. Sie wird im In- und Ausland mit Jubel begrüßt. Die zahlreichen Danksagungen beantwortet er von Stutensee aus mit einem Flugblatt.
1821
Die zwanzigjährige Renovierung des Schlosses wird unter Großherzog Ludwig beendet (L im Giebelfeld). Es ist und bleibt Lieblingsquartier aller Großherzöge Badens. Das Gestüt wird mit englischen Vollblut-Reitpferden aufgefrischt.
1830
Großherzog Leopold baut das Gestüt aus. Die Koppeln erhalten die Namen der Familienmitglieder.
1845/1851
Wegen finanzieller Schwierigkeiten wird das Gestüt stark eingeschränkt, dann aufgehoben.
1856
Großherzog Friedrich I. nutzt die Stallungen zur Aufzucht von Jungpferden für Dragoner und Artillerie.
1869
Die Domäne Stutensee wird von der Großherzoglichen Gartenbauschule übernommen.
1874
Das Staatsgut wird an Landwirte verpachtet. Ins Jägerhaus kommt eine Gastwirtschaft.
1918
Großherzog Friedrich II. verlässt Schoss Stutensee vor anrückenden Revolutionären fluchtartig.
1919
Landgerichtsrat Wetzlar erwirbt für den Karlsruher Bezirksverein für Jugendschutz und Gefangenenfürsorge im Tausch das Schloss Stutensee. Den ca. vierzig jungen Männern werden Lehrstellen in Gärtnerei, Landwirtschaft, Schneiderei und Schuhmacherei geboten.
1933
Dem engagierten Ehepaar Heinrich und Therese Wetzlar wird die Erziehungsarbeit im Jugendfürsorgeheim verboten.
1940
Das Heim wird ausgelagert, die Gastwirtschaft geschlossen. Ins Schloss zieht eine Veterinärkompanie mit 75 Pferden ein.
1945
Französische Truppen besetzen das Schloss als Lazarett und zerstören die Inneneinrichtung. Zum Jahresende wird das Jugendheim wiedereröffnet.
1964
Der Landeswohlfahrtsverband Baden übernimmt das Gelände Schloss Stutensee. Die Jugendlichen des Landesjugendheimes ziehen in neu errichtete Gruppenhäuser. Das Schloss wird von der Heimverwaltung genutzt.
1984
Das Justizministerium Baden-Württemberg greift die Ideen des Heimgründers auf und nimmt im „Heinrich-Wetzlar-Haus“ straffällig gewordene Jugendliche während ihrer Untersuchungshaft auf.
1991
Nach Brandstiftung wird Schloss Stutensee einer dreijährigen Renovierung unterzogen.
2005
Nach Auflösung des Landeswohlfahrtsverbandes kommt die Einrichtung Schloss Stutensee in den Besitz des Landkreises Karlsruhe.